Sexuelle Intimität
Die Lebenserwartung in der Schweiz ist so hoch wie nie zuvor. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der 60-Jährigen bis 2050 sogar verdoppeln. Wir bleiben heute länger gesund und führen länger ein aktives Sexualleben. Dies steht im Gegensatz zur stereotypen Sicht des Alterns, bei der angenommen wird, dass ältere Menschen kein Verlangen und keinen Sex mehr haben. Dabei ist sexuelles Verlangen kein Privileg der Jugend: Eine deutsche Studie hat gezeigt, dass Menschen zwischen 56 und 65 Jahren sexuell aktiver sind als 18- bis 25-Jährige – vor allem, wenn sie in einer stabilen Partnerschaft leben. Andere Untersuchungen konnten nachweisen, dass das sexuelle Verlangen bis ins hohe Alter anhalten kann und dass viele 70- und 80-Jährige weiterhin sexuell aktiv sind. Ein Punkt bleibt allerdings zu erwähnen: Faktoren wie gesundheitliche Beeinträchtigungen, seien sie körperlich oder geistig, hormonelle Veränderungen und der Verlust der Partnerin oder des Partners führen im weiter fortgeschrittenen Alter zu einer Abnahme der sexuellen Aktivität.
Auswirkungen des Alterns auf die Sexualität
Der Hormonabfall infolge der Meno- und Andropause hat nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Sexualität: Folgen davon sind beispielsweise weniger Lust, Trockenheit im weiblichen Intimbereich oder Erektionsstörungen. Eine amerikanische Studie schätzt, dass zwischen 70 und 90 Prozent der Frauen in den Wechseljahren unter sexuellen Funktionsstörungen leiden. Aber stimmt das wirklich? Und was ist mit den Männern?
Menopause und Libido
Bei Frauen sinkt der Östrogenspiegel in der Zeit um die Menopause stark ab, was sich in vielen Fällen deutlich auf das sexuelle Erleben auswirkt: Die Scheide wird trocken, es kommt dadurch häufig zu Schmerzen im Intimbereich und der Geschlechtsverkehr wird oft als sehr unangenehm empfunden. Auch weitere Folgen des Östrogenmangels wie starke Müdigkeit, Hitzewallungen, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen tragen nicht zu einer entspannten Sexualität bei. Viele Frauen leiden stark unter den Wechseljahren und der Tabuisierung dieser körperlichen Veränderungen – dabei gibt es eine ganz Reihe von Behandlungsmöglichkeiten, mit denen sich diese Beschwerden lindern oder lösen lassen: Hormontherapien, Vaginalcremes, Gleitmittel oder Laserbehandlungen der Vagina können wahre Wunder wirken. Leiden Sie daher nicht still vor sich hin, sprechen Sie mit Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen! Oder wechseln Sie zu einer Fachperson, die auf die Frauenheilkunde nach der Menopause spezialisiert ist. Leider werden bis heute die Wechseljahre im Studium der Gynäkologie kaum behandelt und selbst viele Ärzte sind überzeugt, die Folgen des Hormonmangels seien einfach der natürliche Lauf der Dinge, mit dem “Frau” sich abfinden müsse. Aber genauso wie wir uns um gesunde Zähne kümmern, damit wir voller Freude und Genuss essen können, können wir uns mit den richtigen gynäkologischen Massnahmen um ein gesundes, freud- und genussvolles Erleben unserer Sexualität kümmern.
Sexualität bei Erektionsstörungen
Wie sieht es bei Männern aus? Erektionsstörungen (oder eine erektile Dysfunktion) sind bei zunehmendem Alter häufig, aber ebenfalls noch immer ein Tabuthema. Laut Prof. Francesco Bianchi-Demicheli leiden rund eine halbe Million Männer in der Schweiz an Erektionsstörungen, aber nur etwa 10 Prozent suchen sich Hilfe bei einer Urologin oder einem Urologen. Die Gründe für Erektionsstörungen sind vielfältig, unter anderem können Herzerkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, psychische Störungen oder die Nebenwirkungen von Medikamenten dafür verantwortlich sein. Daher ist der Gang zum Hausarzt oder zu einer Urologin wichtig, denn die Störung kann auf tiefer liegende gesundheitliche Probleme hindeuten. In vielen Fällen können einfache Behandlungen eine deutliche Verbesserung mit sich bringen. Machen Sie sich bitte keinen Sorgen, dass es peinlich sein könnte, Ihr Anliegen vorzubringen: Fachpersonen in diesem Bereich sind tagtäglich mit den Fragen rund um das Thema Sexualität beschäftigt und möchten Ihnen dabei helfen, Sexualität wieder lustvoll erleben zu können.
5 Tipps, um (wieder) eine erfüllte Sexualität zu erleben
- Besprechen Sie Ihre Probleme mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt: Wenn Sie Probleme haben, die Ihre Sexualität beeinträchtigen, sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt , der Gynäkologin oder Urologin, um zu beurteilen, ob körperliche Probleme oder Nebenwirkungen von Medikamenten die Ursache sind.
- Stärken Sie Ihr Perineum: Das Training des Beckenbodens kann die Erektionsfähigkeit bei Männern und das sexuelle Vergnügen bei Frauen stärken. Lesen Sie hierzu unseren Fachartikel “Inkontinenz und Organsenkung: die Geheimnisse des Perineums”.
- Reden Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner über Ihre sexuellen Bedürfnisse und Wünsche. Laut einer Studie der Temple University spielt die Beziehung zur Partnerin oder zum Partner eine wichtige Rolle bei der Libido im fortgeschrittenen Alter. Eine gute Kommunikation und eine emotionale Vertrautheit sind für ein erfülltes Sexualleben unerlässlich.
- Seien Sie kreativ: Mit zunehmendem Alter verändert sich die Sexualität, aber das bedeutet nicht, dass Sie aufhören müssen Sex zu haben. Probieren Sie Neues aus, brechen Sie mit Ihrer Routine, um dadurch Ihre Libido wieder anzukurbeln. Auch ein gemeinsamer Kursbesuch kann spannende Impulse und neue Ideen bringen – wie wäre es zum Beispiel mit einer Einführung ins Tantra oder in Slow Sex? Sexualkurse gibt es übrigens nicht nur für Paare, sondern auch für Singles – denn auch die Selbstliebe kann zum psychischen Wohlbefinden beitragen.
- Seien Sie zärtlich zueinander: Umarmungen und Streicheleinheiten sind wichtig, um emotionale und körperliche Nähe zu schaffen und Ihr sexuelles Verlangen zu steigern.
>> Hatten Sie schon einmal Probleme mit Ihrer Sexualität? Was haben Sie dagegen unternommen? Wir freuen uns über Ihr Feedback als Kommentar!
Quellen:
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-64599.html
https://sotomo.ch/site/wp-content/uploads/2020/12/BAG_Studienbericht_DE.pdf
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1016/j.rhm.2016.11.011#
https://medicalforum.ch/fr/detail/doi/fms.2019.08266
https://www.bag.admin.ch/bag/fr/home/das-bag/aktuell/medienmitteilungen.msg-id-64599.html
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa067423
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3349920/
Sexual Function in Elderly Women: A Review of Current Literature
https://fr.wikipedia.org/wiki/Exercice_de_Kegel
https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/0265407510386833
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0003440105000276
https://pages.rts.ch/emissions/temps-present/13396905-je-bande-donc-je-suis-enquete-sur-le-sexe-des-hommes.html#13396906
Bewertungen der Community
ein wichtiges Thema und ausgewogen beschrieben. Regt uns zum Denken und Handeln an, Merci dafür.
Das Thema aus der Tabuisierung rauszuholen finde ich sehr gut vom Team von Quartierplus.
Liebe Frau Nicolai
Herzlichen Dank für Ihr positives Feedback! Wir freuen uns sehr darüber.
Uns ist es wichtig, über die unterschiedlichen Themen- und Lebensbereiche zu schreiben und auch einmal kontroverse bzw. tabuisierte Themen zu beleuchten.
Ich wünsche Ihnen einen tollen Tag und freue mich über weitere Kommentare von Ihnen. Herzliche Grüsse, Nina-Marie, Team Q+