Interview mit Prof.Dr.Stefan Klöppel, Alterspsychiater und Chefarzt der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie (UPD) in Bern.
Interview mit Prof.Dr.Stefan Klöppel, Alterspsychiater und Chefarzt der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie (UPD) in Bern.
Stefan Klöppel: Häufig wird eine Depression im Alter weder von den Ärztinnen noch von den Patienten selbst erkannt. Dabei könnte man mit einer Behandlung viel erreichen. Wenn ältere Menschen sagen, dass sie traurig und einsam sind, weil viele in ihrem Umfeld verstorben sind, heisst es häufig, das gehöre eben zum Älterwerden dazu. Tatsächlich ist es aber so, dass normalerweise die Zufriedenheit ab 65 Jahren steigt. Erst bei den Hochbetagten gibt es dann wieder eine Verschlechterung. Ab 80 Jahren leidet man oft unter körperlichen Einschränkungen.
Weil sich die Krankheit eben anders äussert. So wie eine Depression im Lehrbuch beschrieben wird, zeigt sie sich bei jüngeren Menschen. Bei ihnen sind Traurigkeit und Verzweiflung typische Symptome. Im Alter ist es eher so, dass sich die Leute zurückziehen und sich sagen, dass sie nicht aus dem Haus gehen, weil sie sich müde fühlen oder weil es draussen Eis hat und sie ausrutschen könnten. In Wirklichkeit leiden sie an einer Depression und treten deshalb nicht mit anderen in Kontakt.
Depressionen im Alter zeigen sich häufig mit Kopfdruck, Bauschmerzen oder Müdigkeit. In der Regel gehen die Leute mit ihren Beschwerden zur Hausärztin, wenn diese keine organische Erklärung dafür findet, kann sie eine Depression in Betracht ziehen. Es ist manchmal schwierig, eine Depression von einer Demenz abzugrenzen. Leidet jemand an einer Depression, nimmt die Vergesslichkeit zu. Das sind dann nicht mehr nur negative Gedanken, sondern das Gedächtnis wird messbar schlechter. Es erholt sich aber wieder, wenn die Depression behandelt wird.
Natürlich gibt es einen Übergang zwischen dem, was normal ist, und der Erkrankung. Es ist ja nicht so, dass wir jeden Tag glücklich sind. Deshalb gibt es kontroverse Diskussionen darüber, ob es eigentlich keine normale Traurigkeit mehr gibt. Grundsätzlich gilt: Bei einer Depression halten die Symptome mindestens zwei Wochen an und es entsteht ein relevanter Leidensdruck.
Gerade in der Corona-Zeit sahen wir ältere Menschen, die sich sagten: Ich hatte eine gute Zeit, es ist für mich jetzt nicht mehr entscheidend, ob ich zu Hause bleiben muss und meine Zeit vielleicht abläuft. Sie sind wider Erwarten gut mit der Situation klargekommen. Wenn jemand aber einen Selbstmord in Betracht zieht, weil er eine Lebensbilanz gezogen hat, nimmt man das heute nicht mehr einfach so hin. Man geht davon aus, dass diese Suizidgedanken eher auf eine Depression zurückzuführen sind als auf eine nüchterne Abwägung.
Ja. Statistiken zeigen gut, dass es kurz nach dem 65. Lebensjahr bei beiden Geschlechtern einen Anstieg der Depressionen gibt. Mit dem geregelten Arbeitstag fällt die Struktur weg, die Stellung, die man in der Gesellschaft einnimmt, verändert sich. Ausserdem ist man wieder mehr mit dem Lebenspartner konfrontiert. Man muss sich wieder neu erfinden.
Dass wir nach dem Berufsleben noch so viel Lebenszeit haben, ist eine relativ neue Entwicklung. Deshalb ist das gesamte Thema Gesundheit im Alter eher neu. Erst in den letzten zehn Jahren gab es vermehrt Studien dazu, wie Depressionen im Alter behandelt werden sollen.
Bei älteren Patienten muss man beim Verschreiben von Medikamenten behutsamer sein, da sie diese schlechter vertragen. Ausserdem darf man den Wert der Psychotherapie nicht unterschätzen. Lange sagte man, das bringe im Alter nichts.
Das kommt noch von Sigmund Freud. Er war der Ansicht, dass ab 50 Jahren die Denkvorgänge nicht mehr anpassbar seien. Das ist ja heutzutage kein Alter mehr! Tatsächlich kann man bei alten Menschen oft eine besonders wirksame Psychotherapie machen, da sie in ihrem Leben schon viele Herausforderungen gemeistert haben. Sie können sich an diese Momente zurückerinnern und sich überlegen, was damals geholfen hat. Mit solchen Ansätzen erreicht man schnell etwas.
Ja. Daten zeigen, dass ältere Personen viel weniger häufig wegen psychischen Belastungen eine Therapie suchen. Einerseits denken sie wohl wie gesagt, dass ihre Probleme zum Älterwerden dazugehören, aber die Stigmata spielen sicher auch eine Rolle. Ältere Menschen denken noch viel häufiger als jüngere, eine Depression sei eine Charakterschwäche. Besonders ältere Männer sprechen selten über psychische Probleme.
Wenn man die Suizide pro 100 000 Einwohner anschaut, sieht man, dass in der Altersgruppe 80-plus auffällig viele Männer Selbstmord begehen und kaum Frauen. Wenn im hohen Alter einem Mann die Partnerin wegstirbt, kommt er mit der Situation längst nicht so gut zurecht, wie eine Frau im umgekehrten Fall.
Es ist ja nicht so, dass die Männer verhungern, wenn die Partnerin stirbt. Vielmehr fehlt ihnen häufig das soziale Netz. Oft pflegt die Frau die Kontakte, Männer haben oft einen viel kleineren Bekanntenkreis.
Bei Suizidgedanken können Sie die Dargebotene Hand kontaktieren. Telefon 143. E-Mail- und Chat-Kontakte finden Sie auf www.143.ch. Die Angebote sind vertraulich und kostenlos.
Wichtig ist, die Person auf ihre Stimmung anzusprechen. Man kann etwa sagen: Ich habe das Gefühl, du bist nachdenklicher als sonst. Oder: Mich dünkt, du bist gerade häufig traurig. Man kann sich überlegen, ob man Begriffe, die mit einem Stigma behaftet sind, besser weglässt; besser nicht von einer Depression spricht. Und dann kann man auch auf Hilfsangebote aufmerksam machen.
Hier finden Angehörige und Betroffene von Depressionen Hilfe.
Es gibt Menschen, die schneller auf Stress oder Belastung mit einer Depression reagieren. Eine gewisse Neigung ist genetisch und bleibt bestehen. Aber die Symptome lassen sich meistens ganz gut behandeln. Nur scheitert vieles daran, dass die Depression gar nicht erst erkannt wird.
Die Plätze sind knapp und die Therapeutinnen und Therapeuten entscheiden selber, wen sie aufnehmen. Dabei haben alte Patientinnen und Patienten einen Nachteil. Es gibt Studien, die das zeigen: Wenn man zweimal einen hypothetischen Patienten mit denselben Symptomen vorstellt, aber das Alter verändert, ist der Therapeut eher bereit, die jüngere Patientin zu behandeln. Er glaubt, es sei einfacher, eine gute therapeutische Beziehung zu diesem aufzubauen und ihn erfolgreich zu therapieren. Es gibt also selbst hier eine Stigmatisierung.
Ich glaube, da gibt es einen Riesenunterschied zu früher. Im Moment gibt es die Tendenz, sich zu reflektieren, sich immer wieder zu fragen, wie es einem geht und wie es mit der Work-Life-Balance steht. Das schafft die Offenheit, psychische Erkrankungen behandeln zu lassen.
Quelle: «Bieler Tagblatt» und «Ajour», Autorin Mengia Spahr
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